Erziehung ist kein Training
Wer einen Welpen zu sich holt, der hat einen Erziehungsauftrag.
Erziehen ist das Einwirken auf eine Persönlichkeit, auf die Art sich grundsätzlich zu verhalten, zu denken und im Sozialkontakt mit anderen zu benehmen.
Erziehen kann man nur jemanden, der so jung ist, dass seine Persönlichkeit noch nicht vollständig gefestigt ist. Wir sprechen zwar umgangssprachlich auch bei erwachsenden Hunden von Erziehung, das ist aber eigentlich falsch.
Genauso wie wir nur Kinder und Jugendliche erziehen können.
Bei Erwachsenen ist das nicht mehr möglich. Die können zwar versuchen, bewusst und gewollt etwas an ihren Taten zu verändern. Sie werden dabei aber nicht mehr in ihrer Persönlichkeit beeinflusst, sondern handeln nur punktuell in ganz speziellen Situationen anders, als sie es eigentlich gern tun würden.
Jeder, der schon mal versucht hat, einen erwachsenen Menschen zu erziehen, also in seine Persönlichkeit einzugreifen, wird schon erlebt haben, wie dieser Versuch scheitert.
Wer immer schon ein zerstreuter, unordentlicher Typ ist, der es einfach komplett vergisst, Ordnung zu halten, der wird auch als erwachsener Mensch nicht mehr zu einem ordnungsliebenden Pingel erzogen, der plötzlich Zahnschmerzen beim Anblick eines unsortierten Kleiderschrankes bekommt.
Aber dieser Mensch kann innerhalb einer Beziehung ganz bewusst darauf achten, seine Klamotten nicht mehr im Zimmer des anderen herumliegen zu lassen.
Dafür muss der Beziehungspartner*in sich aber klar durchsetzen und wahrscheinlich immer mal wieder an die Absprachen erinnern, denn die Persönlichkeit des anderen findet es ja weiterhin unwichtig. Da gerät der Vorsatz schon mal in Vergessenheit, selbst wenn der Wille da ist.
Ist der unordentliche Mensch aber gut erzogen, dann hat er gelernt, dass es im Leben dazu gehört, sich auch mal für jemanden zu bemühen und etwas Unangenehmes zu tun, obwohl man es selbst so nicht tun würde.
Dann würde er seufzend seine Sachen aufräumen, nicht für sich, sondern für seine*n Partner*in und die Beziehung.
Diese Bereitschaft wäre ein Zeichen einer guten Erziehung und dadurch gewonnenen Beziehungsfähigkeit.
Aber der Mensch wäre nicht zu einem ordentlichen Menschen erzogen worden, sondern ein weiterhin unordentlicher Mensch, der sich situationsangepasst Mühe gibt, der Beziehung zuliebe.
In seinem eigenen Zimmer wird es trotzdem wild aussehen und wenn der Partner*in mal ein paar Tage weg ist, dann wird die ganze Bude komplett durcheinandergebracht.
So ist es auch beim Hund.
Wie der Hund in seiner Persönlichkeit ist, das wird durch seine Genetik und das bestimmt, was er durch seine Eltern und frühen Erfahrungen mitbekommen hat. Dazu kommt dann unsere Erziehung. Also das, was wir und Andere dem Hund vorleben und abverlangen, so lange er jung ist.
Wie er sich nachher in speziellen Situationen verhält, können wir durch situatives Eingreifen, also durch Training, verändern oder einfordern.
Und wenn die Erziehung gut war, dann ist der Hund auch bereit, in diesen speziellen Situationen etwas zu tun oder zu lassen, obwohl er es eigentlich lieber anders machen würde.
Erziehung heißt, Einfluss auf das Sozialverhalten des Hundes zu nehmen und ihm zu zeigen, was in unserer Welt ok ist und was nicht. Es heißt, den Hund bereit zu machen, gute Entscheidungen für sich treffen zu können, ohne dass wir später immer für ihn entscheiden und ihn lenken müssen.
Erziehung bedeutet auch, jemandem beizubringen, sich anders zu verhalten, als es der erste Impuls in einem vielleicht vorgibt.
Eine gute Erziehung zielt darauf ab, das Eingreifen des Erziehenden so unnötig wie möglich zu machen!
Das bedeutet auch, dass gute Erziehung immer im Sinne desjenigen ist, den es zu erziehen gilt und dass er später dadurch einen Vorteil in seinem Leben hat und besser klarkommt.
„Später wirst Du mir dankbar dafür sein!“ stimmt also bestenfalls. ;-)
Für uns Menschen bringt das Schwierigkeiten und unangenehme Aufgaben mit sich: Der Spielverderber sein, Grenzen setzen und durchsetzen, den Hund zu etwas zwingen, weil es das Beste für ihn ist. Nicht nur, weil es das Beste für uns ist!
Zu unterbrechen, um etwas sinnvolles zu lehren, nicht um sich zu rächen oder um der eigenen Wut Ausdruck zu verleihen.
Damit zu leben, nicht für jede Entscheidung geliebt zu werden und trotzdem dazu zu stehen.
Und es bringt auch die Aufgabe mit sich loszulassen, eigene Erfahrungen zuzulassen und immer wieder zu vertrauen, dass auch der Hund es irgendwann schafft, selbst für sich und seine Seele sorgen zu können und erwachsen zu sein.
Hunde sind eben nicht dafür da, das eigene Bedürfnis, sich gebraucht zu fühlen zu befriedigen.
Sich selbst überflüssig machen, macht einen zum echten Freund. Jemanden der da ist, aber nicht da sein muss. Jemand der hilft, aber nur wenn man es allein nicht schafft. Und jemanden der zutraut, vertraut und einen derjenige sein lässt, der man dank seiner Persönlichkeit ist.
*Dieser Text darf gerne geteilt, aber nicht abgeändert werden. Alle Rechte daran verbleiben bei der Autorin Maren Grote. Danke für Dein Verständnis!*