Probleme sind normal
Klingt erstmal merkwürdig, aber ich erkläre, was ich meine:
Mit unseren Hunden leben wir in freundschaftlichen Beziehungen zusammen. Meist leben wir eng beieinander, der Hund begleitet uns in die Welt, muss sich hier und da mal zusammenreißen und bekommt an anderer Stelle die Freiheit, ganz Hund zu sein. Gleichzeitig überwinden wir uns, trotz Grippe spazieren zu gehen oder geben unser letztes Geld für das beste Futter aus. Es ist ein Geben und Nehmen, zwar nicht gleichberechtigt, aber gleichwertig.
Und es ist völlig normal und richtig, dass in einer so komplexen Beziehung nicht immer alle einer Meinung sind, oder die Dinge auf dieselbe Art und Weise betrachten. Was für eine komische Freundschaft wäre das, wenn man mit jemanden ein ganzes Leben lang zusammenwohnt und fast alles miteinander unternimmt und in keinem Punkt in Konflikte kommt?
Manchmal wird vermittelt, dass nur dann alles gut ist, wenn immer die Sonne scheint, alle einverstanden und zufrieden und in völliger Freiwilligkeit zustimmen und der Hund durch den Menschen wie ein kleiner Computer so hin programmiert werden kann, dass er genauso denkt und fühlt, wie der Mensch es sich wünscht.
Zu einer echten Beziehung gehört es aber ebenso dazu, seine Grenzen abzustecken und sich auf den anderen einzustellen, genauso wie man erwartet, dass er dasselbe tut. Und das knirscht schon mal.
Grade wenn zwei sehr unterschiedliche Charaktere miteinander auskommen wollen, dann ist gelegentlicher Streit vorprogrammiert. Wenn das eine Lebewesen auch noch vom anderen aufgezogen und erzogen wird, dann streitet man sich spätestens in der Pubertät ganz gewaltig.
Während wir das bei unseren Beziehungen zu Menschen als notwendiges Zusammenwachsen ansehen und ein Streit klärend die Zukunft verbessern kann, wird der Konflikt mit dem Hund oft als Versagen fehlgedeutet.
Sobald der Hund mal irgendeinen Mist macht, sieht man sich als unfähig, oder schlimmer noch: als jemand, dem der Hund nicht vertrauen könne.
Als sei jedes Verhalten nur von uns abhängig und als hätte er keine eigenen Ideen oder Charakterzüge.
Vielleicht hat unser Hund auch eine Grundsatzeinstellung zu anderen Hunden oder Menschen, die unserer entfernter nicht sein könnte. Dann ist es schnell der Hund, der entweder zum falschgepolten Störenfried gemacht wird. Oder es wird versucht, den gesamten Charakter des Tieres auf links zu drehen und daran bis zu seiner letzten Sekunde, meist vergeblich, herummanipuliert.
Die Weisheit zu erkennen, was änderbar ist und das auch einzufordern und durchzusetzen, ist eine Sache.
Zu sehen, was die Persönlichkeit des Hundes ausmacht, was er ist und immer bleiben wird, ist die andere Sache. Ein schmaler Grat - zwischen Anspruch und Akzeptanz - der in beiden Richtungen aus dem Ruder laufen kann.
Fehlt jeder Anspruch, leidet meist das Umfeld durch den freigeschalteten Hund, der machen darf, was er will, egal was das für andere bedeutet. Irgendwo leidet auch der Hund, denn er wird für gewöhnlich nicht gern gesehen bei anderen Menschen oder Hunden und kann viele Freiheiten nicht zugesprochen bekommen, weil er sich oder andere mit ihnen in Gefahr bringen würde.
Fehlt die Akzeptanz, dann wird die ganze Zeit nur bewertet und versucht, in den Gefühlen des Hundes herumzumanipulieren, weil es nicht reicht, dass er sich angemessen benimmt, nein, er soll gefälligst auch so fühlen, wie ich es mir vorstelle!
Beides angemessen zu bedenken ist gar nicht so leicht. Es ist klar, dass hier Spannungsfelder entstehen können und beim Ausprobieren und Herantasten immer mal ein Griff ins Klo dabei ist.
Mit Hunden auch mal Probleme zu haben ist also völlig normal. Nicht alles machen zu können, nur weil jemand anderes es kann, nicht alles zu mögen, sich zu streiten und trotzdem zu lieben gehört dazu.
Seine eigene Beziehung zu haben, die nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern individuell ist und zu Euch passen muss, so dass Ihr zufrieden leben könnt und niemand anderes belästigt oder gefährdet wird.
Und das ist normalerweise ein Prozess, der ein paar Jahre dauert, bis alles so richtig eingespielt läuft.
Also bitte schämt Euch nicht für Probleme oder Verhalten Eures Hundes, sondern schaut lieber, was daran veränderbar ist und wie ein Weg dahin führen kann. Es gibt viele tolle Trainer*innen, die dabei helfen können. Und mit denen könnt Ihr auch besprechen, was vielleicht Dinge sind, die mehr Akzeptanz und Handlungsmöglichkeiten für den Umgang damit brauchen und gar keine große Verhaltensänderung des Hundes.
Auch mal Probleme zu haben heißt nur, eine ganz normale Beziehung zu haben.