Mir war so, als müsste ich was sagen…
Bist Du schon mal angemotzt worden, weil irgendwer besonders gut wusste, was Du mit Deinem Hund machen solltest?
Ist doch faszinierend, dass man mit Hund so oft ungefragt Tipps bekommt.
Da geht einer nur an euch vorbei und sieht direkt: Dein Hund trägt nur deswegen einen Maulkorb, weil Du so viel Angst hast.
Zack! Psychologie: 1 Plus mit Sternchen an der Google Universität für gefährliches Halbwissen!
Dass Dein Hund aus vierter Hand aus dem Tierheim zu Dir kam, grade drei Menschen gebissen und nun vorerst abgesichert ist, bis ihr beide wisst, wie es weitergehen kann – das ist ja irrelevant. Wozu also fragen, wenn man auch antworten kann?
Oder hast Du einen Hütehund?
Dann hast Du bestimmt schon hundertmal gehört, dass Du bitte nicht vergessen sollst, ihn ordentlich auszulasten! Dringend! Das steht so im Hundeforum bei Facebook! Da haben es schließlich auch mindestens zehn Leute voneinander abgeschrieben und wie jeder weiß, wird es dadurch zur Wahrheit!
Selbstredend wird Dir dieser superschlaue Tipp in dem Moment gegeben, indem Du grade dabei bist Deinen Hund auszulasten, denn man trifft Dich ja auf dem Spaziergang.
Alle Windhundebesitzer*innen lachen übrigens grade laut, denn „der muss ganz viel laufen!“ hören die schon als Phantomgeräusch wie einen individuellen Tinnitus.
Gleichzeitig sind die aber laut der Labradorbesitzerin von nebenan immer viel zu dünn, also Vorsicht mit den verschleuderten Kalorien.
Ja was denn nun? Hochleistungssport oder doch Anorexie-Therapie?
Wer einen Herdenschützer an der Leine führt, der weiß seit seinem ersten Spaziergang: sein Hund ist eigentlich ganz lieb! Und einfach nur schlecht sozialisiert, wenn er fremde Artgenossen gleichen Geschlechts nicht gern zur Begrüßung ins Gesicht geschleudert bekommen mag.
Der angeleinte Hund muss eigentlich nur mal „richtig Hund sein dürfen“, der abgeleinte Hund dagegen sollte mal lieber angeleint werden.
Der ängstliche Hund sollte lieber ab in den unkontrollierten Fremdhundekontakt, weil die das unter sich klären. Das hat Karl Otto so gehört und macht das immer so. Klappt auch immer super. Also für seine beiden fünfzig Kilo schweren Rottweiler Rüden zumindest.
Woher kommt dieser Drang, sein vermeintliches Wissen so ungebremst weitergeben zu müssen?
Wäre nicht fragen viel schöner als ungefragt zu antworten?
Wieso ist das so?
Warum hast Du diese Entscheidung getroffen?
Wie ist Dein Hund denn, im Vergleich zu meinem?
Oder:
Du als jemand mit so einer Rasse, was sagst Du denn zu dem allgemeinen Vorurteil, dass man diese Hunde immer so oder so behandeln müsse?
Ich weiß, es ist verlockend, von sich auf andere zu schließen.
Manchmal hat man wahrscheinlich sogar mal recht. Aber was nutzt es, das jemanden aufzudrücken, der es gar nicht hören wollte?
Ich kenne das noch aus meiner Anfangszeit im Studium. Auf einmal wusste ich so viel über Hunde und Erziehung. Ich dachte, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und sah überall die Missstände sofort. Und ich hatte auch sofort gute Ideen, was hier helfen könnte.
Allerdings habe ich diese Hilfe ungefragt weitergegeben.
Wie blöd von mir und wie unnütz.
Wahrscheinlich gibt es den ein oder anderen Menschen, dem ich ganz schön auf den Sack gegangen bin mit meiner Klugscheißerei.
Entschuldigung an dieser Stelle!
Und auch Entschuldigung an mich selbst, dass ich das Gefühl hatte, dass mühsam erarbeitetes Wissen dafür da sei, es ungefragt hinaus zu plappern und es dadurch abzuwerten.
Wenn ich mich heute auf der Hundewiese so sehen würde, wie ich ungefragt Hundeleute mit Tipps zuquatsche und Stunden damit verbringe, mein vermeintliches Wissen ehrenamtlich unters Volk zu bringen, dann würde ich mich fragen, wie viel mein Wissen Wert sein kann.
Meiner Erfahrung nach sind Menschen, die sehr erfolgreich sind in ihrem Job, nicht mehr auf der Jagd nach permanenter Bestätigung und halten sich sehr zurück.
Denn sie wissen, dass ihr Können kostbar ist.
Ich bin mir ganz sicher, dass wir alle schon mal mehr oder weniger gut gemeinte Tipps bekommen haben, die mit ein bisschen mehr Informationen über Deinen Hund und Eure Lebensumstände anders ausgefallen wären.
Vielleicht hast Du Dich auch schon selbst erwischt und ganz ehrlich: natürlich ist es sogar in ganz seltenen Fällen gar nicht zu vermeiden, dass man auf extreme Missstände, oder echte Gefahren einfach hinweisen muss, weil man sonst platzt.
Das ist im normalen Alltag doch eher selten, oder? Jedenfalls deutlich seltener als die ganzen wunderbaren Tipps, die so bereitwillig und ungefragt verteilt werden.
Mein liebster Tipp ist übrigens, dass ich mal in eine Hundeschule gehen soll.
Oder den Owtscharka spielen lassen soll... oder den Jagdhund füttern, damit er nicht mehr jagen will ... hach, ich kann mich gar nicht entscheiden!
Was ist Dein „bester“ Tipp, den Du mal ungefragt bekommen hast?